Da steht es nun -seit 1982- unser Haus; fast sogar ein “Haus am Hang”; von vorne her einstöckig; auf der Rückseite mit von außen begehbaren “Kellerräumen”, die die Architekten als Gruppenräume bewohnbar gemacht haben. Klein und bescheiden steht es zwischen den Wohnhausriesen. Der Kostendruck hat es bescheidener werden lassen, als es ursprünglich werden sollte. In einundeinhalb Jahrzehnten des Überlegens hatten sich die ersten Pläne stark verändert.
Ein Haus für die ganze Gemeinde; vornehmlich für die Leute, die darumherum oder in der Nähe wohnen. Alle Gruppen, Kinder und Jugendliche, Erwachsene und Senioren, Männer und Frauen, Väter und Mütter, sollen sich in diesem Haus mit überlegtem oder spontanem Tatendrang ausbreiten können.
Das Haus hat den Namen Roncalli‑Haus erhalten. Das ist der Familienname des Papstes, der 1958 in dieses Amt gewählt wurde und den Namen Johannes XXIII. angenommen hatte. Ein Mann, der so ganz ungewollt auf den Stuhl Petri gehoben wurde, hat in fünf Jahren bis zu seinem Tod im Jahre 1963 die Welt verändert. Sie wurde nicht durch eine Revolution verändert, sondern durch den “legalen” Akt des 21. Ökumenischen Konzils der römischen Kirche, das auch das 2. Vatikanische Konzil genannt wird.
Da das Erzbistum aus Gründen des Sparzwangs unter dem markanten Titel „Zukunft heute” auch unsere Gemeinde aufforderte, auf etwa ein Drittel der kirchengemeindlichen Versammlungsflächen (in Heilig Geist, Franziskus-Haus bzw. Roncalli-Haus) zu verzichten, hat sich durch eine große Beteiligung aus der Gemeinde der Roncalli-Verein e.V. gegründet, um das Roncalli-Haus auch ohne die Unterstützung des Erzbistums in eigener Trägerschaft zu halten.
Der Roncalli-Verein ist 2007 gegründet worden, um das „Roncalli-Haus“ als Versammlungsraum der Kirchengemeinde St. Franziskus zu erhalten. Dieser Zweck wird ehrenamtlich verwirklicht durch die wirtschaftliche Sicherung und Unterhaltung des Roncalli-Hauses und seine praktische Organisation und Verwaltung im Interesse der Kirchengemeinde (aus der Vereinssatzung).
Das Roncalli-Haus lebt aktuell (2023) vom Engagement von ca. 100 Mitgliedern und Unterstützer:innen. Durch ihre große Spendenbereitschaft und praktische Hilfe lässt sich das Gemeinde-Haus in Millrath-Ost auch in Zukunft für gemeindliche Aktivitäten und Versammlungsbedürfnisse in der Nachbarschaft offen halten. Leider nimmt die Zahl der Mitglieder des Roncalli-Vereins altersbedingt ab, sodass die finanzielle und praktische Belastung der Engagierten an ihre Grenzen kommt.
Der derzeitige Vorstand des Roncalli-Vereins betrachtet es als seine wichtigste Aufgabe, neue Mitglieder und Unterstützer:innen für den Roncalli-Verein zu gewinnen, damit die hohen Betriebskosten und notwendige Renovierungsmaßnahmen auch in Zukunft gewährleistet bleiben und die Franziskus-Gemeinde noch viele Jahre dieses schöne Haus nutzen und mit Leben füllen kann.
Roncalli-Haus - ein Rückblick
Anfang Juni 1982 war es endlich soweit: Wir konnten an der Tannenstraße in Millrath die Eröffnung des Roncalli‑Hauses feiern. Auf einer wilden Wiese, auf der sich Kinder, Hunde und Heuschrecken tummelten, ein kleiner, besonders von der Vorderseite flach wirkender Bau, bedrückt von riesigen, dunklen Wohnblocks. Darum ein stabiler Zaun, auf daß der böse Feind ‑ wer immer das auch sei ‑ nicht eindringe. Randale war in aller Munde!
Roncalli‑Haus, der erste Versuch, im Rahmen des Gemeindekonzeptes ein durch Gemeindemitglieder nebenamtlich geleitetes Haus für die Aktivitäten in einem Subzentrum einzurichten. Ein Leitungsteam ‑ eine Zeitung nannte es damals irrtümlich ein” Leistungsteam” ‑ hatte diese Aufgabe übernommen.
Der Pfarrgemeinderat hatte dem Haus einen Namen gegeben, “Roncalli‑Haus” sollte es heißen, nicht nach dem gleichnamigen Zirkus (wenn auch der Zirkus im Roncalli‑Haus manchmal vorführungsreif ist/war), sondern nach einem amtlich fast vergessenen Übergangspapst, der diesen Familiennamen trug. Ein Papstname als Programm, auch ein wenig als Widerspruch zur bereits damals beklagten “Rückbesinnung auf die alten Werte”, als Antwort auf das “Türenschließen gegen den Wind, der weht, wo er will”. Die Situation hat sich bis heute nicht gebessert: Die “Rückbesinnung” dauert an und ist zur Tugend geworden, Türen und Fenster bleiben abgedichtet, auch wenn die Atmosphäre inzwischen nicht mehr zum Atmen, sondern eher zum Ersticken ist.
Wie gesagt, es war der erste Versuch, ein Gemeindehaus quasi der Gemeinde in Selbstverwaltung zu übergeben. Gute und gut gemeinte Ratschläge wurden mit auf den Weg gegeben, ein klein wenig Ängstlichkeit war an mancher Stelle zu spüren. Ein Programm über mögliche Aktivitäten war erarbeitet, das tägliche Leben begann.
Es ist nicht alles reibungslos gegangen. Wir haben viele Ratschläge geprüft, angenommen oder verworfen, wir haben aber auch aller Ängstlichkeit zum Trotz eigene Wege zu gehen versucht. Nicht daß wir eine Gemeinde in der Gemeinde hätten werden wollen, nein, nur soweit, als wir uns stark genug fühlten, uns den örtlichen Anforderungen zu stellen ‑ manchmal bis an die Grenze der eigenen Kraft.
Das Roncalli‑Haus ist in den Stadtteil eingewachsen, die wilde Wiese ist nicht mehr, die Umgebung ist “schön” geworden, der Zaun stellenweise von Pflanzen überwuchert, Randale ist out. Es ist alles stinknormal, Routine. Einige Gruppen haben wir immer noch nicht erreicht, aber die erreicht man wohl nie!? Eigentlich schade! Dabei könnte man es doch vielleicht schaffen, Bedarf ist wohl da, aber wer soll die Arbeit machen? So bleibt mancher ‑ vor allem junge ‑ Nachbar draußen, bekommt erst gar keinen Kontakt, den er zur Organisation Kirche nie gehabt oder längst verloren und zu unserer Gemeinde nicht bekommen hat. Sind wir Sauerteig doch nur für unsere eigenen Brötchen?
Reißen wir die Fenster und Türen auf und lassen wir den Sturm durchs Haus wehen, gegen den sich überall ausbreitenden Mief, Smog, die Erstickungsgefahr! Berufen wir uns dabei auf den Mann, dessen Namen das Haus trägt, dessen Lebensweise und tiefgründiger Humor den Menschen kurzfristig die Möglichkeit einer neuen Kirche und einer neuen Welt gezeigt haben, dessen Gewesen‑sein uns Grund zur Hoffnung ist. Machen wir in seinem Namen weiter.
Mehr als ein Dach über dem Kopf
Drei Jahre Roncalli‑Haus
Mehr als ein Dach überm Kopf
Die Fertigstellung und Einweihung des Roncalli‑Hauses jährt sich in diesen Tagen zum dritten Mal.
Eine kurze Zeit für ein Haus. Zu kurz, als daß nicht für die meisten noch die Erinnerung an die Entstehungsgeschichte mitschwänge: Lange Jahre fruchtlosen Planens, dann der fast verwegene Entschluß, mit einem “abgemagerten” Programm ohne gesicherte Finanzierung einfach anzufangen. Die entscheidende Pfarrversammlung mit dem eindrucksvollen Optimismus der vielen Teilnehmer, aber auch vereinzelten skeptischen und warnenden Stimmen ist noch gegenwärtig. Und dann das überwältigende Ergebnis der Spendenaktion, das eine Fertigstellung fast ohne Kreditaufnahme ermöglichte.
Was ist aus den vielen guten Wünschen und Erwartungen geworden, die dem Haus bei der Einweihungsfeier mit auf den Weg gegeben wurden? Zunächst einmal: Das Roncalli-Haus ist “angenommen” worden, wie wir es erhofft hatten. Das war nicht selbstverständlich; hatte sich doch die Gemeinde fast allzusehr an das Pfarrzentrum in Sandheide gewöhnt. Inzwischen sind die Veranstaltungen im Roncalli‑Haus zahlreicher als in irgendeinem anderen kirchlichen Raum in Hochdahl.
Alle Aktivitäten aufzuzählen, die im Roncalli-Haus stattfinden, hieße, ein Bild unserer Gemeinde insgesamt zeichnen. So muß es bei einem Überblick bleiben.
Bei der Planung des Hauses bildete die Jugendarbeit einen Schwerpunkt. Der “Nachwuchs” ist es denn auch, der das Roncalli-Haus wesentlich prägt. Tag für Tag sind mehrere Jugendgruppen dort anzutreffen, geschlossene Gruppen der katholischen Jugend und Pfadfindergruppen, Gruppen zur Kommunion‑ und Bußvorbereitung, Firmgruppen, aber auch offene Gruppen wie z. B. zur Hausaufgabenbetreuung oder eine Töpfergruppe, nicht zu vergessen unsere Jüngsten, für die eine Spiel‑, Krabbel‑ und Turngruppe (mit Müttern) eingerichtet ist. Hinzu kommen begleitende Elternabende oder Vorbereitungsgespräche.
Für Erwachsene und Jugendliche sind gedacht die vielen regelmäßigen Treffs wie zwei Yoga‑Gruppen, eine Selbsterfahrungsgruppe und die von der Frauengemeinschaft ins Leben gerufenen Nachmittage und Abende zum Prozellanmalen, Nähen, für Gymnastik und Folklore. Zu nennen wären noch ein Behindertentreff, ein Kammermusikkreis und eine Arbeitsgemeinschaft Religions‑Lehrer, die regelmäßig im Roncalli‑Haus tagen . Ein Seniorentreff ist jeden Montagnachmittag.
Mit diesen regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen ist nur ein Teil dessen erwähnt, was das bunte Treiben im Roncalli‑Haus ausmacht. Arbeitskreise aller Art von der ASPEKTE‑Redaktion bis zum Stadtjugendring, von den Katecheten bis zu den Briefmarkenfreunden, vom Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat bis zur Frauenwandergruppe, für sie alle bietet das Roncalli‑Haus den äußeren Rahmen. Daß vieles gleichzeitig läuft, hat eigentlich noch niemanden gestört. Im Gegenteil, man freut sich, Bekannte zu sehen oder auch neue Gesichter, je nach Temperament.
Daß das Roncalli‑Haus auch für Famillenfeiern zur Verfügung steht und auch bisher vielfach genutzt worden ist, sei nur am Rande vermerkt.
Bliebe noch, etwas zur Donnerstagsabend-Messe zu sagen. Ich glaube, auch ein flüchtiger Beobachter würde etwas von der besonderen Atmosphäre dieses Gottesdienstes spüren. Vielleicht fiele aber zunächst die Formlosigkeit auf. Die etwa 30 bis 40 Mitfeiernden sitzen um den Altartisch (selbst bei der Wandlung!). Es wird offen beraten, welches Lied gesungen wird. Manchmal geht es auch heiter zu, was dem freundlichen Miteinander und damit dem Gottesdienst gut tut. Die Fürbitten werden stets von den Teilnehmern formuliert. Diese Feier ist intensiv, ohne
verkrampft zu sein: mehr Meditation als Ritual. Trotzdem bleibt der Vollzug des Abendmahles im Mittelpunkt. Eine solche Meßfeier ist wohl nur in einer familiären Umgebung möglich. Das heißt nicht, daß etwas von einer familiären Abgeschlossenheit spürbar wäre.
Nach der Messe ist seit nunmehr drei Jahren der Roncalli‑Dämmerschoppen mit vielen Gesprächen über Gott und die Welt. Übrigens wird von dem Reingewinn des Getränkeverkaufs in diesen Tagen ein neuer Dia‑Projektor für das Haus angeschafft.
Für alle Aktivitäten, Feiern, Zusammenkünfte und Gespräche ist das Roncalli‑Haus ideal gebaut und eingerichtet. Von dem stilvollen großen Versammlungsraum über die Gruppenzimmer (von denen eines noch verschönert werden könnte) und die kleine, gut eingerichtete Küche bis zu dem poppig mit bunten Plakaten tapezierten Spiel‑ und Jugendraum ist alles zweckentsprechend, einfach und liebevoll gestaltet. An unsere Partnerstadt Cergy und die Verbindung mit den dortigen katholischen Freunden erinnert ein im oberen Flur eingebauter Ziegelstein mit dem Wahrzeichen der Nouvelle Ville.
Natürlich bleiben Fragen an uns, vor allem die, ob sich die Idee, das Konzept des Hauses als Stadtteilzentrum voll verwirklicht hat. Vielleicht ist angesichts der anfänglichen Sorge, ob das Haus auch angenommen werde, der Mut zum Experiment zu kurz gekommen. Außerdem: Müßte ein Stadtteilzentrum, wenn es diesen Namen verdienen soll, nicht offener sein für alle Stadtbewohner und nicht im wesentlichen nur für die, die sich der Kirchengemeinde verbunden wissen? Vielleicht sollten sich weitere Überlegungen über Aktivitäten im Roncalli‑Haus in diese Richtung bewegen.
Das Roncalli-Haus ist in den ersten drei Jahren seines Bestehens mehr geworden als ein Dach für viele Veranstaltungen. Es strahlt eine Atmosphäre aus, die keinen ganz unberührt läßt. Mögen auch weiterhin für alle seine Besucher die Güte und Freundlichkeit, die Klugheit und der Humor Beispiel sein, die seinen Namenspatron Angelo Roncalli, Papst Johannes XXIII, auszeichneten.
H. Lucas
Manchmal geschehen Wunder
Nein, der Bau des Roncalli‑Hauses an der Tannenstraße war keineswegs ein Selbstläufer!
Das Grundstück war da, der Name ebenso, der die Verbundenheit der Gemeinde mit dem Reformpapst Johannes XXIII. bekunden sollte. Aber es gab ein großes Problem.
Das wurde in einer gut besuchten Pfarrversammlung in “Heilig‑Geist’ im Januar 1981 deutlich, die zu erregten Auseinandersetzungen führte. “Das schaffen wir spielend!” ‑”Finanzieller Ruin!”: das waren die Extreme, zwischen denen sich Hoffnung und Skepsis artikulierten. Rund 400.000 DM, also die Hälfte der Baukosten von etwa 800.000 DM, waren durch Sonderspenden der Gemeindemitglieder aufzubringen, und zwar wegen der damals hohen Kreditzinsen möglichst schnell,
Aber zuletzt (das Miteinander in der Pfarrversammlung spielte dabei eine wichtige Rolle!) setzte sich Optimismus durch. Und das war das Signal, den Bau zu beginnen. Ein Spendenthermometer wurde in den Kirchenräumen aufgestellt und verzeichnete ‑ eine tolle Erfahrung ‑ sprunghafte Steigerungen. Binnen anderthalb Jahren, d.h. bis zur Fertigstellung des Hauses, war eine Summe von 243.800 DM zusammen. Fast ein Wunder in Zeiten, in denen viele noch ihre Häuser und Wohnungen abbezahlen mussten. Weitere 100.000 DM kamen aus Etatmitteln der Kirchengemeinde und vom Kirchbauverein. Der Rest war dann kein Problem mehr, zumal sich die ganze Gemeinde in Kollekten beteiligte.
Aber das war es nicht allein. Ich sehe noch einen Trupp von Männern, die mit
Schaufel und Schubkarre angerückt waren und sich an die Ausschachtungsarbeiten machten (bis dann die Raupe den Rest erledigte). Große Teile der Elektroinstallation wurden in mühevoller Eigenarbeit angebracht (und haben bis heute gehalten!). Gardinen wurden von kundigen Damen genäht, die von einem Altenheim geschenkten Sitzmöbel wurden neu bezogen und manches andere mehr. Muss ich erwähnen, dass die Verwaltung des Hauses bald fünfundzwanzig Jahre lang bis heute ehrenamtlich ohne jede Vergütung bewältigt worden ist?
Und wenn sich in all den Jahren ein ehrenamtlicher “Wachdiensr für jeden Abend aus Nachbarn und Freunden zusammengefunden hat, dann ist das nicht zuletzt auf die Geschichte des Roncalli‑Hauses zurückzuführen. Sie verbindet noch heute.
H. Lucas
Mehr zu Papst Johannes XXIII, Roncalli
Mit der Benennung des Gemeindehauses in Millrath-Ost in „Roncalli-Haus” hat unsere Gemeinde ein Zeichen gesetzt. Wir möchten damit an diesen großartigen Papst Johannes XXIII erinnern, der mit der Einberufung des 2. Vatikanischen Konzils einen „frischen Luftzug” durch unsere Kirche hat wehen lassen.
Angelo Giuseppe Roncalli – Papst Johannes XXIII.
Ein besonderer Papst
Johannes XXIII –
Angelo Roncalli ‑ eine Kurzbiographie
geboren 1881 bei Bergamo/Oberitalien; 1904 Priesterweihe; 1925 bis 1944 im diplomatischen Dienst des Vatikans in Bulgarien, der Türkei und Griechenland, dann Nuntius in Frankreich; 1953 Patriarch von Venedig. Im Oktober 1958 wählten die Kardinäle ihn zum Nachfolger von Pius XII. Er nannte sich Johannes XXIII. Allgemein hieß es: ein “Übergangspapst”. Doch es kam anders … 1962 berief er das 2. Vatikanische Konzil ein. Als die großen Aufgaben unserer Zeit betrachtete er zwei Dinge: die Einheit der Christen und den Frieden in der Welt.
Aussprüche und Andekdoten, aus Anlaß seiner Seligsprechung am 3. September 2000 zusammengestellt:
Erwartungen an das Konzil
Was erwartete Johannes XXIII. vom Konzil? “Vom Konzil?”, sagte er und näherte sich dabei dem Fenster, als wollte er es öffnen, “erwarte ich frischen Luftzug… Es gilt, den kaiserlichen Staub, der sich seit Konstantin auf dem Thron des heiligen Petrus gesetzt hat, abzuschütteln.”
Der Stellvertreter
Papst Johannes besuchte in Rom das Krankenhaus zum “Heiligen Geist”, das von Nonnen geleitet wird. Die Oberin kam ob dieser Ehre ergriffen herbeigeeilt und stellte sich vor: “Heiliger Vater, ich bin die Oberin vom ‘Heiligen Geist’.”
“Hatten Sie aber ein Glück ‑, ich bin nur der Stellvertreter von Jesus Christus”, gab der Papst zurück.
“Oh, welch ein trauriges Leben ist doch das eines Bischofs oder eines Priesters, der nichts anderes als ein Diplomat oder ein Bürokrat zu sein versteht.”
“Immer beschäftigt zu sein, und nicht unter der Eile zu leiden, das ist ein Stück Himmel auf Erden!”
“Wenn der Papst nicht mehr der Papst sein kann, dann ist es besser, er tritt ab.”
Unfehlbarkeit
“Ich bin nicht unfehlbar”, sagte er einmal im Gespräch mit griechischen Seminaristen. Als diese ihn bewundert anschauten, erklärte er lächelnd: “Nein, ich bin nicht unfehlbar. Der Papst ist unfehlbar nur, wenn er ex cathedra’ spricht. Ich werde aber nie ‘ex cathedra’ sprechen”. ‑ Er hat nie ‘ex cathedra’ gesprochen.
Die Bürde des Amtes
Ein neuernannter Bischof beklagte sich beim Papst, daß ihn die Last der Verantwortung nicht mehr schlafen lasse. Johannes antwortete mitleidsvoll: “Oh, mir ging es in den ersten Wochen meines Pontifikats genauso, aber dann sah ich einmal im Wachtraum meinen Schutzenge, er mir zuraunte: ‘Giovanni, nimm dich nicht so wichtig!’ Seither schlafe ich wieder.”
Über die Kirche
“Wir weilen nicht hier auf Erden, um ein Museum zu hüten, sondern um einen blühenden Lebensgarten zu bestellen, dem eine glorreiche Zukunft verheißen wurde.”
Berufstheologen
“Sind Sie Theologe?” fragte eines Tages Johannes einen anglikanischen Geistlichen.
“Nein, Heiliger Vater”, antwortete der Angeredete etwas verwirrt. ‑ “Nun gut! Deo gratias! Ich auch nicht, wenn man es auch so sagt. Sie wissen ja selbst, wieviel Unglück die Berufstheologen der Kirche durch ihre Haarspaltereien, ihren Ehrgeiz, durch ihre Engherzigkeit und ihren Eigensinn zugefügt haben.”
Eines Tages bedachte Papst Johannes den Kardinal Ottaviani, gewiß ein frommer und selbstloser Priester, der aber eine Neigung zur Dogmatik hatte, die ihn ständig befürchten ließ, die reine Lehre der Kirche könnte verfälscht werden, mit einer heiteren Charakterisierung voller Nachsicht: “…Der Kardinal Ottaviani? Der hat seinen Kinderglauben!”
Sparsamkeit
Nach seiner Inthronisation hat Johannes die Grundgehälter der Angestellten und Arbeiter des Vatikans erheblich erhöht und ein Kindergeld eingeführt. Ein Prälat, der die Erhöhung der kleinen Gehälter für übertrieben hielt, bemerkte ehrfurchtsvoll, daß diese Erhöhung doch eine schwere Belastung für den päpstlichen Haushaltsplan bedeuten würde. Der Papst antwortete: “Wir haben ja nicht nur die Gehälter der kleinen Leute erhöht, sondern auch die Bezüge der hohen Beamten gekürzt. Auf diese Weise, so vermute ich, wird für unser Schatzamt eher noch eine Ersparnis von einigen Millionen Lire pro Monat herausspringen.”
Verständigung
Eines Tages trafen die Mitarbeiter den Papst bei neuen Sprachstudien an.
“Ja, ich lerne jetzt Deutsch”, erklärte er ihnen, “obwohl ich gestehen muß, daß mir das Erlernen der deutschen Sprache schwer fällt. Das ist aber die einzige Sprache, die die Canarini (Kanarienvögel) verstehen, die mir mein Vorgänger Pius XII vererbt hat. Und das ist von dem gewaltigen Erbe noch das Einfachste.”
Respekt
“Wer schreit, hat unrecht! Man soll immer die Würde dessen respektieren, der vor einem steht, und vor allem die Freiheit eines jeden Menschen. Gott selbst hält es so!”
Vor seinem Tod
“Sorgt Euch doch nicht so sehr um mich… Ich bin bereit, die große Reise anzutreten. Meine Koffer sind gepackt. Ich kann jederzeit abfahren… ”
Zusammengestellt von Joseph Boscheinen
AM 2. PFINGSTTAG 1963 STARB JOHANNES XXIII.
An 11. Oktober 1962 eröffnete er das Konzil. Da hatte er noch ein halbes Jahr zu leben. Bei seiner Eröffnungsrede wendet er sich leidenschaftlich gegen die, die aus religiösem Eifer die moderne Welt verachten: “Sie meinen nämlich in den heutigen Verhältnissen der menschlichen Gesellschaft nur Untergang und Unheil zu erkennen, Sie reden unablässig davon, daß unsere Zeit im Vergleich zur Vergangenheit zum Schlechteren abgeglitten sei. Sie verhalten sich, als hätten sie nichts aus der Geschichte gelernt. Ich bin völlig anderer Ansicht als diese Unglückspropheten, die ständig Katastrophen ankündigen, als ob die Welt vor ihrem Ende stünde.”
Am 2. Pfingsttag ’63 ist er an seinem Krebsleiden gestorben. In der ganzen Welt nahmen die Menschen daran Anteil. Und er gab das letzte Zeugnis eines erfüllten Lebens: gut sterben zu können. ‑ Das Konzil ging weiter. 1964 schlug der Weihbischof von Bologna vor, die Konzilsbischöfe mögen Johannes XXIII. durch das Konzil heiligsprechen ‑ als Anerkennung der von ihm eröffneten Perspektive der Kirche. Das wäre schön gewesen! Aber ‑ vielleicht gibt es Heilige, die keine Heiligsprechung brauchen. Wenn wir etwas brauchen zur Bewältigung heutiger Probleme, dann ist das sein Geist, in dem das Menschliche und das Christliche, gesunder Menschenverstand und eine Frömmigkeit ohne Angst auf seltene Weise im Einklang waren. Ich bin einfach dankbar, daß es diesen Papst gegeben hat.
Albert Höntges